Sonntag, 2. November 2014
Die schreckliche Wahrheit
Unvermittelt wendet sich Anna mir zu, nachdem sie des Anblicks des sich in die Tiefe stürzenden Wasserfalles überdrüssig wurde:

Du, Sex habe ich am liebsten im Dunkeln.

Warum?


frage ich sie, während ich vergeblich versuche, mir die Frage zu beantworten, warum sie ausgerechnet mir diese Vorliebe erzählt. Sie räuspert sich und vollendet ihre Ausführungen im Beisein ihres Freundes:

Weil man dabei besser an wen anderen denken kann.



Hinaufgestolpert und -geschubst
Ich habe mich nie besonders um meine Karriere gekümmert. Sie ist einfach passiert als eine glücklicke Abfolge mehrerer Zufälle. Mir waren auch immer Menschen ein Gräuel, deren einzige Motivation für alles berufliche Handeln der Blick auf die Karriere ist, deren Aussagen aus schwammigen Worthülsen bestehen und die nie lange in einer Position zu halten sind, weil sie jeden neuen Job nur als Sprungbrett für einen weiteren Schritt nach oben sehen.

Gut, diese Menschen sind früher aufgestiegen als ich. Ich bin erst in der Mitte meiner 40er "Head of" geworden. Das stört mich nicht. Ich bin jetzt allerdings in das Umfeld geraten, in dem solche Karrieristen sich gegenseitig mit Aufgaben beschäftigen, die für die tägliche fachliche Arbeit keine Relevanz haben sondern diese eher stören.

Was war passiert? Ich bin offenbar als jemand aufgefallen, der in seinem Fachbereich gute Arbeit abliefert. Und als mein Vorgänger einen weiteren Schritt auf seiner Karriereleiter wagte, fand man niemanden, der ihn ersetzen könnte, also wurde ich bekniet, die Aufgaben, die er hinterlassen hat, zu lösen.

Das klingt wie eine Beschwerde. Ist es aber nicht. Ich fühle mich wohl. Ich frage mich nur 2 Dinge:

1. Werde ich in meinem Aufgabenbereich ähnlich positiv auffallen, wenn man mir die tägliche Facharbeit, aufgrund der ich anerkannt bin, wegnimmt und mir Aufgaben gibt, die eher darin bestehen, grosse Strategien zu entwickeln und deren Fortschritt mit den Farben rot, gelb und grün zu demonstrieren?

2. Muss ich mir das typische Managergeschwurbel angewöhnen, um im Kreise meiner neuen Kollegen als einer der ihren zu gelten oder darf ich meine naiven Ansichten und Ausdrucksweisen behalten?