Donnerstag, 6. November 2014
Das Zappelmännchen
Paul ist von Natur aus ein Zappelmännchen, das nie auf den Punkt kommt und das relativ schlampig arbeit. Trifft Paul auf einen übergenauen Geschäftspartner, der zu viel Präzision einfordert, gibt es Krieg.

Das führt zu meinem inneren Konflikt, Paul als Teil meines Teams nach aussen vor unberechtigter Kritik und zu hohen Anforderungen schützen zu müssen, während ich ihm zugleich beibringen muss, dass seine Arbeit wirklich nicht das Gelbe vom Ei ist.

Durch ersteres fühlt er sich bestätigt, letzteres ist für ihn nicht nachvollziehbar. Er nickt dann zwar nachdenklich den Kopf und ergeht sich in Seufzern und durch gedehnte "jaaaaa ..." angedeutete selbstkritische Zustimmung, wenn man ihn danach jedoch befragt, was er an seinen Berichten ändern wird, wird klar, dass er nichts verstanden hat.

Dann und wann hat Paul seine grossen Momente. Er denkt dann strategisch und unterbeitet ungefragt Vorschläge für die ganz grossen Würfe. Würfe, die selbst mir als seinem Vorgesetzten einige Schuhnummern zu gross sind oder Würfe, die nur gross erscheinen, aber Blindgänger wären, würde man an ihnen arbeiten.

Seinen strategischen Ideen gemein ist, dass sie an der eigentlichen Sache vorbeizielen, kein Problem lösen, Probleme tendenziell verstärken oder aus sonstigen Gründen keinen Sinn machen.

Ich mag Paul eigentlich. Er ist ein sympathischer Kerl, mit dem ich gern ein Bier trinken gehe. Aber im Job ist er derzeit wenig zu gebrauchen. Ich würde ihm gerne helfen, ihn fachlich voranbringen aber auch methodisch fördern und ihm beibringen, dass man am Punkt und sauber arbeiten muss. Er muss verstehen, dass er erstmal gute Arbeit abliefern muss, bevor er daran gehen kann, strategisch zu denken, weil der gar nicht die Detailtiefe der täglichen Arbeit beherrscht, um die richtig fokusierte Weitsicht für das grössere Ganze zu haben.

Ich würde all das wirklich gerne machen, auch wenn ich weiss, dass das mit hohem Zeitaufwand verbunden ist. Und eine Frage bleibt bei all dem bestehen: Ist er überhaupt dazu fähig, dazuzulernen? Wird er je strukturierter und päziser denken und arbeiten können? Kurz - lohnt der Aufwand, sich mit ihm zu beschäftigen oder hat er schlicht den falschen Job?



Sonntag, 2. November 2014
Die schreckliche Wahrheit
Unvermittelt wendet sich Anna mir zu, nachdem sie des Anblicks des sich in die Tiefe stürzenden Wasserfalles überdrüssig wurde:

Du, Sex habe ich am liebsten im Dunkeln.

Warum?


frage ich sie, während ich vergeblich versuche, mir die Frage zu beantworten, warum sie ausgerechnet mir diese Vorliebe erzählt. Sie räuspert sich und vollendet ihre Ausführungen im Beisein ihres Freundes:

Weil man dabei besser an wen anderen denken kann.



Hinaufgestolpert und -geschubst
Ich habe mich nie besonders um meine Karriere gekümmert. Sie ist einfach passiert als eine glücklicke Abfolge mehrerer Zufälle. Mir waren auch immer Menschen ein Gräuel, deren einzige Motivation für alles berufliche Handeln der Blick auf die Karriere ist, deren Aussagen aus schwammigen Worthülsen bestehen und die nie lange in einer Position zu halten sind, weil sie jeden neuen Job nur als Sprungbrett für einen weiteren Schritt nach oben sehen.

Gut, diese Menschen sind früher aufgestiegen als ich. Ich bin erst in der Mitte meiner 40er "Head of" geworden. Das stört mich nicht. Ich bin jetzt allerdings in das Umfeld geraten, in dem solche Karrieristen sich gegenseitig mit Aufgaben beschäftigen, die für die tägliche fachliche Arbeit keine Relevanz haben sondern diese eher stören.

Was war passiert? Ich bin offenbar als jemand aufgefallen, der in seinem Fachbereich gute Arbeit abliefert. Und als mein Vorgänger einen weiteren Schritt auf seiner Karriereleiter wagte, fand man niemanden, der ihn ersetzen könnte, also wurde ich bekniet, die Aufgaben, die er hinterlassen hat, zu lösen.

Das klingt wie eine Beschwerde. Ist es aber nicht. Ich fühle mich wohl. Ich frage mich nur 2 Dinge:

1. Werde ich in meinem Aufgabenbereich ähnlich positiv auffallen, wenn man mir die tägliche Facharbeit, aufgrund der ich anerkannt bin, wegnimmt und mir Aufgaben gibt, die eher darin bestehen, grosse Strategien zu entwickeln und deren Fortschritt mit den Farben rot, gelb und grün zu demonstrieren?

2. Muss ich mir das typische Managergeschwurbel angewöhnen, um im Kreise meiner neuen Kollegen als einer der ihren zu gelten oder darf ich meine naiven Ansichten und Ausdrucksweisen behalten?